2017-11-04: Tod vor der Geburt
»Ihr seid nicht allein in eurem Schmerz«, lautete das Versprechen an Mütter, Väter und Eltern, die ihr Kinder vor oder nach der Geburt verloren haben. »Es gibt Hilfe«, bestätigten die Teilnehmer der von Jürgen Jakob organisierten Veranstaltung zum Thema »Stille Geburt – Der Traum vom Kind zerplatzt wie eine Seifenblase«. Die Referenten – Klinikseelsorger Pfarrer Thomas Born, Palliative-Care-Fachkrankenschwester Beate Volbrecht, Bestatterin Eva Tränkner, Anette Weitzel vom Pflegedienst Cedrus und Jürgen Jakob vom »Gedankenschiff« – stellten aus ihrer fachlichen und erlebten Sicht ihre Gedanken zu diesem Themenkreis vor und sprachen unter der Moderation von Gregor Verhoff mit den zahlreichen interessierten Zuhörern über deren Erlebnisse und Erfahrungen.
Verhoff berichtete in seiner Anmoderation von dem Bruch, den der unerwartete Tod eines Kindes bei der schwangeren Mutter und dem Vater hervorruft. Die Schwangerschaft als erste Erfahrungen des gemeinsamen Elternwerdens sei plötzlich zu Ende, ins Leere gelaufen. Zwischen Schuldgefühlen und dem Verlust ihrer Zukunft bewegten sich die Gedanken der Mutter in einer schwer zu beschreibenden Empfindung.
Ein Ort zum Trauern
Dem Kind nach seinem Tod aktiv einen Platz zu geben, empfahl Beate Volbrecht. Es gelte, die gemeinsam gelebte Zeit in Erinnerung zu behalten, denn man trenne sich von etwas, in das man so viel Hoffnung gesetzt habe. Man müsse Tabu brechen und über das Erlebte sprechen, es gehe um Trost finden und Trost spenden.
Seit 18 Jahren ist Thomas Born Klinikpfarrer an der Gießener Universitätsklinik. Er berichtete von den »Sternenkindern«, den Kindern, die nicht lebend zur Welt kommen, und für die es seit einigen Jahren eine Möglichkeit der Einzel- und Sammelbestattung gibt. Von einer Frau habe er erfahren, dass deren Mutter vor 28 Jahren durch einen Schwangerschaftsabbruch ihr Kind verloren habe, weil der Arzt ihr eröffnet habe, nur einer, das Kind oder sie, werde überleben. Darunter leide ihre Mutter noch heute, sagte diese Frau, die 28 Jahre nicht wusste, dass sie eine Schwester hatte.
Nach dem Statement von Eva Tränkner, die über gesetzliche Vorschriften beim Tod von Kindern vor der Geburt berichtete, meldete sich eine betroffene Oma zu Wort, die vor drei Wochen ihr Enkelkind verloren hatte. Ihre Tochter fühlte sich alleine gelassen und ohne jede Hilfe. Eine junge Frau erzählte von guten Erfahrungen mit der Marburger Universitätsklinik, die Informationen in einer Mappe zusammengetragen habe, um erste Hilfen zu geben. Für Anette Weitzel-Lotz, die lange in einem Hospiz gearbeitet hat, ist es enorm wichtig, dass die Menschen trauern und über ihre Lebenskrise sprechen dürfen. Jürgen Jakab, der Initiator des Abends, verglich die Situation mit einem Mobile, bei dem man einen Faden durchgeschnitten habe, und das Oberste nach unten sowie das Unterste nach oben gesaust seien.
Im Laufe der Diskussion kristallisierte sich heraus, dass man dem toten Kind einen Platz und einen Namen geben solle. Die Sprachlosigkeit und Tabuisierung müsse aufhören. Die Mütter und Familien benötigten einen Ort, an dem sie trauern können. Sie dürften mit ihrer Trauer nicht allein gelassen werden. Zuhören helfe oft mehr als reden, Nähe sei wichtig. Die Kraft von Symbolen habe eine große Bedeutung, sagte Born. Ein Name, eine Kerze, die Aussegnung würden helfen, zu trauern. Wenn die Worte ausgingen, könnten Rituale das auffangen.
Informationen zum Thema gibt es im Internet unter www.gedankenschiff.de , www.hospiz-mittelhessen.de (Charly und Lotte), www.ukgm.de/ugm_2/deu/ugi_kia/10095.html.
(Erschienen in der Gießener Allgemeinen am 04.11.2017)